Am 9.6. 2004 zündeten Mitglieder des selbsternannten »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) in der Keupstraße eine Nagelbombe. Durch die Detonation wurden 22 Menschen verletzt, vier von ihnen schwer. Jahrelang gingen die Ermittler*innen von einer „Milieustraftat“ aus. Bis sich der NSU 2011 selbst enttarnte, mussten Geschäftsleute und Anwohner*innen mit Verdächtigungen und Vorurteilen leben. Nur einen Tag nach dem Attentat erklärte der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD): "Die Erkenntnisse, die unsere Sicherheitsbehörden bisher gewonnen haben, deuten nicht auf einen terroristischen Hintergrund, sondern auf ein kriminelles Milieu." Der Anschlag und die nachfolgenden einseitigen Ermittlungen und Medienberichte, die lange Zeit die Anwohner*innen selbst verdächtigten, haben zu Misstrauen und Isolation geführt. Auch wenn die Keupstrasse zwanzig Jahre später wieder vielfältig und lebendig ist, halten einige Verletzungen bis heute an.[1] [2]
Als Zeichen der Solidarität und der Erinnerung fand im Juni 2014 auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs und in der Keupstraße das erste Birlikte-Festival unter dem Motto „Zusammenstehen“ statt. 2015 („Zusammenleben“) und 2016 („Zusammenreden“) gab es Fortsetzungen mit anderen Formaten und in den darauffolgenden Jahren Gedenkveranstaltungen am Jahrestag des Anschlags. 2024, zum 20. Jahrestag, wurde ein großes Gedenk- und Kulturfest veranstaltet. Das Programm ermöglichte durch Gesprächsformate, Führungen, Musik- und Theaterbeiträge sowohl Räume der Erinnerung als auch ein festliches Beisammensein. Auf einer Bühne gab es Wortbeiträge von Betroffenen, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Oberbürgermeisterin Henriette Reker und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst.[3]
Nach der Selbstenttarnung des NSU Ende 2011 wurde in Köln erstmals die Forderung nach einem Gedenkort in direkter Nachbarschaft zur Keupstraße laut. Im Dezember 2015 beschloss der Rat der Stadt, „in der Keupstraße beziehungsweise in ihrer unmittelbaren Nähe ein Denkmal zu errichten". Eine Jury, darunter auch Bewohner*innen der Keupstraße, Betroffene der Bombenanschläge und Stadtteilinitiativen, entschieden sich einstimmig für den Entwurf des Berliner Künstlers Ulf Aminde: Ein interaktiven Gedenkort, an der Ecke Keupstraße / Schanzenstraße. Doch was so hoffungsvoll begann, geriet alsbald ins Stocken. Es dauerte weitere sechs Jahre, bis der Rat der Stadt Köln am 9. November 2021 die Errichtung des Mahnmals in Sichtweite des Friseursalons, wo 2004 die Bombe explodierte, beschloss und das NS-Dokumentationszentrum damit beauftragte, gemeinsam mit Betroffenen, Initiativen und dem beauftragten Künstler ein Konzept dafür zu entwickeln.[4]
Das geplante Denkmal setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Der bauliche Teil besteht aus einer 6m x 24m-großen Betonbodenplatte, die den Grundriss des Frisörsalons nachbildet, vor dem die Nagelbombe explodierte. Das virtuelle Haus, welches über eine digitale Oberfläche abrufbar ist, zeigt Filme sowie Informationen und Statements, die an den Anschlag erinnern und Hintergründe erläutern. An dem virtuellen Teil wird derzeit intensiv gearbeitet, erste Inhalte und eine Website entstehen.[5] Das breit besetzte Kuratorium, das an der Auswahl der Filme beteiligt ist, hat seine Arbeit aufgenommen.
Das Gelände, auf dem das Denkmal errichtet werden soll, ist im Besitz der Immobiliengruppe Gentes. Der „Platz für alle“ mit dem Mahnmal ist in der Planung für die Bebauung des Geländes an der Ecke Keupstraße / Schanzenstraße fest integriert. Wann mit den Bauarbeiten begonnen wird, ist derzeit weiterhin offen. Auf der Website von Gentes heißt es jedenfalls euphemistisch: „Ein Projekt mit Verantwortung, entwickelt im Dialog und mit Respekt. Im Spiegel der Symbolkraft des Ortes, gewachsen am Diskurs mit der Nachbarschaft.“[6]
[1] https://www.schauspiel.koeln/spielplan/birlikte-koeln/
[2] https://taz.de/20-Jahre-Nagelbombenanschlag-in-Koeln/!6013126/
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Birlikte
[4] https://herkesinmeydani.org/hintergrund/mahnmal-keupstrasse
[5] https://mahnmal-keupstrasse.de/
[6] https://www.gentes-gruppe.de/projects/schanzenstrasse/