Wohlfühlorte und Kindergesundheit

Befragung durch die Sozialraumkoordination Mülheim-Nord/Keupstraße

Text von: SRK Mülheim-Nord/ Keupstraße

Fotos: Eva Rusch

Veröffentlicht in https://www.muelheimia.koeln/epaper/muelheimia-quarterly-2-2020/

 

Wir, die Sozialraumkoordination Mülheim Nord/Keupstraße, haben am Tag des guten Lebens auf der Berliner Straße Kinder, Jugendliche und Familien nach den individuellen Wohlfühlorten in Köln-Mülheim gefragt. Mit 101 Personen haben wir gesprochen. Die Befragung hat gezeigt, dass sich die Wohlfühlorte je nach Lebensalter und -station unterscheiden und dass das direkte Nahumfeld einen wesentlichen Wohlfühlfaktor für den/die Mülheimer*innen darstellt.

 

Für Kinder ist ein Ort ein Wohlfühlort, wenn er im vertrauten Umfeld ist und es in kurzen Wegen möglich ist, diesen Ort zu erreichen. Sie brauchen Freiraum und Platz, um sich austoben zu können und bevorzugen Räume, wo sie Freunde und bekannte Gesichter antreffen. Sie suchen sich diese Qualitäten im Nahumfeld, so dass der Böckingpark, der Nettopark (Parkplatz vor dem Netto) und der Mützepark als die zentralen Wohlfühlorte von den Kindern genannt werden. Öffentliche Plätze und das nahräumliche Angebot an Spiel und Sport werden von Kindern unhinterfragt angeeignet und als gut bewertet, auch wenn die Räume aus Erwachsenenperspektive vielleicht nicht den Wohlfühl-kriterien entsprechen.

 

Zitat: „Am Nettopark kann man eigentlich alles machen: Chillen, Freunde treffen, Fußball spielen. Es stört niemanden, wenn wir laut sind“ (8jährige, Wohnhaft Berliner Straße)

 

Für Jugendliche ist ein Ort ein Wohlfühlort, wenn er viel Platz bereitstellt, um ungestört in größeren Gruppen den individuellen Interessen nachgehen zu können. Im nahräumlichen Umfeld fehlt es den Jugendlichen an Orten mit Aufenthaltsqualität und ausreichend Platz, weshalb sie Orte im erweiterten Radius, wie den Rhein, den Katzenbuckel oder den Jugendpark als Wohlfühlzonen benennen. Jugendliche wollen Orte, wo sie eine Daseinsberechtigung erleben und davon gibt es in den Augen der Befragten einen Mangel in Köln Mülheim.

 

Zitat: „Wir sollen draußen sein und brauchen mehr Plätze, die auch ein Dach haben, so wie ein Pilzdach oder eine Grillhütte“ (16jähriger, Wohnhaft Mülheim Nord)

 

Für Erwachsene und Familien ist ein Ort ein Wohlfühlort, wenn er großflächig und kostenlos nutzbar ist und trotzdem eine interessante und spannende Atmosphäre bietet, wie etwa der Carlsgarten im Schanzenviertel. Außerdem nennen sie den Rhein, den Katzenbuckel und verschiedenen Parkanlagen in Mülheim als Wohlfühlzonen, weil die dort Ruhe, Natur und Freiraum erleben können. Familien legen außerdem besonderen Wert auf ihr Nahumfeld. Zugehörigkeit, Vertrautheit und Nachbarschaft spielen eine zentrale Rolle im Bewertungsprozess der Wohlfühlorte. Als Störfaktoren nennen sie Müll, Lärm und Verkehr – gerade um die Berliner Straße herum. Beeinflussen diese Störfaktoren den Alltag zu sehr, kommt es zum Mikroengagement: Das Aufsuchen anderer Orte, die die unterschiedlichen Bedürfnisse nach Ruhe und Freiraum befriedigen.

Insgesamt wurde durch die offene Befragung deutlich, dass vor allem das vertraute Nahumfeld einen Wohlfühlort darstellt und die Menschen versuchen, sich den Raum – so wie er sich ihnen bietet – entsprechend ihrer Bedürfnisse anzueignen. Die Störfaktoren und Irritationen, die sie im Alltag durch Lärm, Durchgangsverkehr und Müll erleben, nehmen die Kinder hin und die Jugendlichen und Erwachsenen schaffen Ausweichstrategien, um ihren Alltag bedürfnisgerecht fortführen zu können.

 

Am Tag des guten Lebens erlebten die Anwohner*innen der Berliner Straße eine Verschnaufpause. Ein Teil der Straße war den gesamten Nachmittag für den Autoverkehr gesperrt: „Das sollte immer so sein“, betonen viele der Befragten. Das macht die Straße noch lebenswerter und „man könnte endlich mit offenem Fenster schlafen“, so ein Anwohner.

 

Der Rollende Tisch Mülheim

Der Rollende Tisch Mülheim entwickelte sich aus der Idee der Sozialraumkoordination Mülheim-Nord/ Keupstraße.

Das Projekt „Der Rollende Tisch“ wurde in Kooperation mit dem Amt für Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung der Stadt Köln, dem Bürgeramt Köln-Mülheim, dem Jugendamt Köln-Mülheim und weiteren Akteuren im Sozialraumgebiet Mülheim-Nord/ Keupstraße durch die Sozialraumkoordination im genannten Sozialraum von Mai- Dezember 2018 durchgeführt und umgesetzt. Durch das Projekt „Der Rollenden Tisch“ erfuhren die Sozialraumkoordinatorinnen die Haltung und Wünsche der Zielgruppe und stellten fest, dass die Interessenlage der bildungsfernen Bürgerschaft in einigen Bereichen identisch mit den Interessen der bildungsnahen Bürgerschaft ist und in anderen Bereichen stark differiert. Durch diese aufsuchende Nachbarschaftsbefragung mittels des umgebauten Lastenrades und der Interpretation der genannten Bedarfe ist eine zielgruppenspezifische Beteiligung möglich. Gleichzeitig bekamen die Sozialraumkoordinatorinnen Zugang zu der neu erschlossenen Zielgruppe. Der „Rollende Tisch“ versteht sich einerseits als eine mobile Anlaufstelle für Bürger*innen für alle aktuelle Themen im Stadtteil, andererseits als ein Instrument zum Sammeln von Interessen und Bedarfe verschiedener Personen, Gruppen und Initiativen im Sozialraum.

Im Jahr 2018 wurden an 19 verschiedene Stationen im Sozialraum knapp 750 unterschiedliche Bedarfe der Zielgruppe gesammelt und ausgewertet.